Erwin Thoma, die Sorge um unsere Umwelt und den Bestand der Menschheit scheint in der Gesellschaft angekommen zu sein. Oder ist das nur ein Trend?
Ich glaube, dass wir als Zivilisation in eine existenzielle Krise geraten sind, die weit über einen Trend hinausgeht. In weiten Bereichen wollen wir es aber noch nicht wahr haben. Mit unserer Weltsicht, dass wir alles immer mehr zerlegen und zerteilen, die Erde und den Menschen als Maschine begreifen, den Organismus und das Leben in Zahlenreihen fassen wollen, kommen wir aber nicht mehr weiter.
Was ist unser Grundproblem?
Unser Problem ist, dass wir uns vom Leben an sich entfernt haben. In anderen Ökosystemen bleibt jeder Akteur nur dann übrig, wenn sein Tun dem Leben als Ganzes dient. In unserem Wertesystem bleibt derjenige übrig, der am meisten Geld und Macht kumuliert. Und das ist per se lebensfeindlich. Ein Bewusstsein für die Umwelt gibt es schon sehr lange. Ich denke an das AKW-Volksbegehren und die Besetzung der Hainburger Au.
Warum setzt sich das nicht stärker durch?
Weil in unseren Köpfen Geschichten fest verankert sind, mit denen wir uns die Wirklichkeit erklären. Heute geht es um folgende Geschichte: Die Wirtschaft muss ständig wachsen, sonst geht es uns nicht gut. Ewig exponentielles Wachstum ist aber wie eine Krebszelle, und die beschränkt sich irgendwann nur noch auf die Zerstörung des Trägersystems.
Du sagst, wenn es um Überlebensstrategien geht, sollen wir uns an den Bäumen ein Beispiel nehmen. Was ist deren wichtigste Strategie?
Der Baum ist ein scheinbar hirn- und intelligenzloses Lebewesen. Und trotzdem tut er alles, damit der Humus bereichert wird, er reinigt das Wasser und die Luft. Jeder Baum verfolgt sein ganzes Leben als einziges Ziel, die Grundlagen für seine Nachkommen zu sichern oder zu verbessern. Wenn man sich dieses Bild aus der Natur nimmt, merkt man, wie krank unsere Existenz ist, in der es nur darum geht, Geld und Macht zu haben.