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In meiner Welt wird Science Fiction zur Realität

06.11.2020

Interview mit Cindy Chin.

Cindy Chin ist Unternehmerin, Wirtschaftsstrategin und Kulturbotschafterin in den Bereichen Kunst und Wissenschaft. Als Vorstandsvorsitzende von CLC Advisors fungiert sie als Beraterin und Aufsichtsratsmitglied von Gründerteams in Startups und als Sachverständige für Zukunftstechnologien. Sie ist außerdem Fakultätsangehörige der Startup-Akademie „Silicon Castles“ in Salzburg und wird weltweit als strategische Denkerin und Vortragende geschätzt. 

 

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Sie sind im Sommersemester als Gastprofessorin an der Fachhochschule Salzburg tätig. Was ist Ihnen in Ihrem Unterricht wichtiger – Wissenschaft oder Praxis? 

In meinem Unterricht möchte ich in erster Linie Wissen weitergeben, das Interesse der Studierenden wecken und zum Dialog über ein Gebiet anregen, in dem die Grenzen des Unmöglichen immer weiter gesteckt werden. In meiner Welt wird Science Fiction gerade zur Realität. Um eine Vision umsetzen und sich den damit verbundenen Herausforderungen stellen zu können, benötigen wir Phantasie, Kreativität, strategisches Denken und Planungsfähigkeit – und dazu das erforderliche technische Know-how.

Der digitale Wandel zählt zu Ihren wichtigsten Themen. Was wird unser nächster großer Schritt in der Digitalisierung sein? Und worauf müssen wir dabei achten?

Ich arbeite derzeit an einem Buch mit dem Titel „Data in the Age of Cognification“ (Daten im Zeitalter der Kognifizierung, Anm. d. Übers.). In der Kommunikation und Telearbeit greifen wir mehr denn je auf Video zurück. Mit unserer Technologienutzung erschaffen wir immense Datenmengen. Die Arbeitssysteme unserer Gesellschaft haben sich bereits nachhaltig verändert und Technologien können Lösungen bieten – manche davon sind vorübergehend, manche dauerhaft.

Sind Sie der Meinung, dass die Wirtschaft ohne unsere heutigen digitalen Lösungen und Technologien funktionieren kann? 

Nein, ohne digitale Lösungen in den Bereichen Software und Technologie können wir die Wirtschaft nicht am Laufen halten. Dieser Zug ist vor Jahrzehnten abgefahren, als die ersten mobilen Geräte auf den Markt kamen. Die Corona-Zeit hat den digitalen Wandel und das Datenwachstum zusätzlich beschleunigt. Wir haben Neuland betreten.

Sie sind eine Datanautin der NASA und nehmen an deren Dateninnovationsprogramm teil, das Data Science, Programmierung und Geschlechterdiversität fördern soll. Wie lauten Ihre Aufgaben in diesem NASA-Programm? 

Meine Aufgabe im Datanauten-Programm besteht darin, mit Hilfe der offenen Daten der NASA innovative, neue Ideen, Prozesse und Produkte zu entwickeln. Das Ziel ist es, Daten„Newcomer“ für uns zu gewinnen, ihnen Fähigkeiten im Bereich Data Science zu vermitteln und diese auszubauen und so eine aktive Gemeinschaft aus Datenproblemlösern zu erschaffen.

Sie stehen Blockchains skeptisch gegenüber, die nicht zuletzt wegen der Spekulationen mit Kryptowährungen einen schlechten Ruf haben. Wie werden Blockchains in Zukunft genutzt werden?

Blockchains sind nicht die einzige Branche, in der spekuliert wird. Wenn Sie ein StartupUnternehmen gründen, spekulieren Sie ja auch darauf, dass es trotz aller Risiken Erfolg haben wird. Der Unterschied besteht darin, dass Blockchains direkt mit Geld und stark regulierten Finanzsystemen arbeiten. Ich sehe, dass die Branche wächst und sich verändert und die Akzeptanz der gesetzgebenden und Regulierungsbehörden wächst. Was ich jedoch vermisse, ist eine breite Einführung und Nutzung – das ist das gleiche Problem, das Sie als Technologieunternehmen lösen müssen. Die beste Idee bringt nichts, wenn sich keine Nutzer finden. 

Was die virtuelle und erweiterte Realität betrifft, verwenden wir diese im Moment für einige technische Anwendungen und Videospiele. Wird es in Zukunft mehr Anwendungsbereiche geben?

Ja, im Gesundheitswesen, in Lieferketten und ganz bestimmt in der Luftfahrt.

Sie sind Beraterin und Vorstandsmitglied in mehreren Startup-Teams. Sehen Sie große Unterschiede zwischen der Startup- Szene in Europa und jener in den USA? 

Ja, allerdings. Die Startup-Szene in den USA ist riesig und schnelllebig. Sie ist recht ausgereift; mit dem richtigen Team kommt man rasch an Finanzmittel. Es wurden Gesetze und Praktiken geschaffen, die es US-amerikanischen Startups ermöglichen, schnell in die Gänge zu kommen, weil man dort bereits auf beachtliche Erfolge solcher Unternehmen zurückblicken kann.

In Europa ist die Szene erst im Werden und obwohl es erste Erfolge gibt, geht alles langsamer vor sich. Ich konnte das mitbeobachten; vor sieben Jahren war Risikokapital in Westeuropa noch durchaus umstritten. Mittlerweile gibt es mehr Risikokapital, mehr Ökosysteme für Unternehmer und die Gründerzentren und Accellerators überschlagen sich geradezu. Allerdings ist man in Europa immer noch zögerlich, was Risiken angeht. Deshalb sind die Zahlen in Europa nicht mit denen in den USA oder Asien vergleichbar.

Sind Frauen, die ein Technologie-Startup gründen wollen, mit besonderen Herausforderungen konfrontiert?

Frauen und vor allem Erstgründerinnen hatten Männern gegenüber lange das Nachsehen, was die Beschaffung von Risikokapital für ihre Startups betrifft. Also ja, es gibt weniger weibliche Investorinnen und Risikokapital auf dem Markt und ihre Probleme werden deutlich, wenn man sich die Geschichten von Gründerinnen durchliest, die keine Finanzierung aufstellen konnten oder für ihr Leistungsversprechen kein Verständnis ihrer männlichen Kollegen geerntet haben.